Ruhiger Shabbat und eine Blutanschuldigung


Heute fielen in Beer Sheva keine Raketen, dafuer war Ashkelon Zielscheibe.

Wir machten einen Ausflug in die Wueste, ausserhalb der Raketenreichweite und wanderten im Nahal Chavarim. Das Wetter war wunderschoen, die Landschaft finde ich immer hinreissend. Die Maedchen betaetigten sich als Geologinnen und haemmerten an den Felsen herum. Sie haben auch eine Menge Gesteinsproben nach Hause gebracht, heute noch gesaeubert und morgen wollen sie eine Ausstellung eroeffnen.

Am Abend riefen meine Eltern an. Meine Mutter wollte wissen, wer denn nun wirklich auf die Lastwagen mit UN-Hilfe geschossen habe. Ich sagte ihr, dass Fehler vorkommen koennen. Aber Hamas hat nachweislich immer wieder Hilfslieferungen erschwert bis verhindert und hat ein klares Interesse daran, die „humanitaere Katastrophe“ endlich voll umzusetzen. Ausserdem befinden sich die beiden Verletzten von diesem Konvoi in Ashkelon im Krankenhaus und sie haben Schusswunden, keine Wunden von Tankmunition. Und siehe da, gestern nachmittag wurde eine Hilfslieferung bei Kerem Shalom eindeutig von pal. Seite beschossen. Auf den Aufschrei der UN und die entsprechenden Meldungen in der westlichen Presse werden wir warten muessen.

Dann wollte meine Mutter noch wissen, was es mit dem sicheren Haus auf sich habe, das die isr. Armee beschossen habe, obwohl sie vorher dorthin Zivilisten evakueriet hatte? Haeh?! Wir haben gestern und heute Nachrichten gesehen und da war von nichts halbwegs Passenden die Rede. Zur Sicherheit blaetterte ich on-line in Jerusalem Post und Y-Net, waehrend ich mit meiner Mutter telefonierte. „Doch, doch“, sagte sie, „das steht sogar in der Zeitung.“

Nun weiss ich natuerlich, welche Zeitungen meine Eltern lesen und so habe ich den entsprechenden Artikel schnell gefunden.

Im Text wird sehr deutlich, dass Joerg Bremer nur Israel in der Verantwortung sehen will. Vermutlich haben Hamas Scharfschuetzen den Fahrer des Hilfstransports erschossen? Tut nichts, Israel hat die Verantwortung. Israel wurde nachweislich in der Vergangenheit aus UNRWA Schulen heraus beschossen? Tut nichts, wenn die UN behauptet, das koenne nicht sein, dann ist es auch nicht so.

Und in der Mitte dieses „Israel ist an allem Schuld“ Sandwiches findet sich denn auch die Blutanschuldigung:

Da waren zudem die Schüsse der Armee auf ein Gebäude in Zeitung im Südosten des zentralen Gazastreifens. Das Einfamilienhaus war von der Armee am 4. Januar als „ziviler Schutzraum“ requiriert worden, und ein Trupp Infanteristen hatte 110 Personen aus einer beschossenen Enklave dorthin geborgen. Gleichwohl schoss die Armee Tags darauf mehrfach auf das Haus und 30 Personen wurden getötet.

Bremer beruft sich auf OCHA und berichtet die Geschichte als Tatsache.

Ironischerweise ist in diesem Fall selbst Al-Jazeera journalistisch respektabler als die FAZ. In ihrem Bericht wird sehr deutlich, dass es sich ausschliesslich um Hoerensagen handelt.

The United Nations says it has received reports that about 30 Palestinians were killed when Israeli forces shelled a house after they had moved about 110 civilians inside it.

„According to several testimonies, on 4 January Israeli foot soldiers evacuated approximately 110 Palestinians into a single-residence house in Zeitun, warning them to stay indoors,“ the UN report said on Friday.

„Twenty-four hours later, Israeli forces shelled the home repeatedly, killing approximately 30.“

Auch BBC macht klar, dass es sich um pures Hoerensagen handelt und veroeffentlicht auch Israels Dementi:

Israel says it has looked into the allegations and they are unfounded.

Israeli foreign ministry spokesman Yigal Palmor said no Israeli soldiers had been in the area on the day the incident was supposed to have happened.

Ich stelle mir vor, dass die ungluecklichen Zivilisten in ein Haus gefluechtet waren, das von Hamas in Erwartung israelischer Soldaten vermint worden war. Als das Gebaeude dann in die Luft flog, versuchte man, Israel die Schuld zuzuschieben. Ebenso wie die „Kollaborateure“ und Fatahleute, die von Hamas niedergemacht wurden (sogar Amira Hass konnte nicht umhin, das zu bemerken) mit Sicherheit auf der Liste der Zivilisten stehen, die Israel auf dem Gewissen haben soll.

Wenn wir von einem von der Hamas verursachten Unglueck ausgehen, liesse sich auch erklaeren, warum die IDF nicht sofort Ambulanzen an den Ungluecksort liess (Vorwurf des Roten Kreuzes). Sie haette erst eruieren muessen, wo und was ueberhaupt passiert war. Krankenwagen einfach so durchzuwinken, ist leider nicht moeglich, nachdem sie von Hamas zum Transport von Waffen und Kaempfern verwendet werden.

Erinnert sich denn wirklich niemand mehr an die dreisten Luegen von Jenin? Wie kann die Redaktion einer serioesen Zeitung so etwas dulden?!

Faellt jemanden eine Erklaerung fuer diese eigenartige Berichterstattund ein, die nichts mit Antisemitismus zu tun hat?

Liebe Eltern, ich empfehle einen geharnischten Leserbrief an die FAZ und vielleicht eine Kuendigung des Abonnements.

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7 Antworten

  1. Ein Wort: Déjà-vu

  2. oh, ja, genau diese beiden faelle wurden mir als tatsachen vorgeworfen, und ich muesse doch gefaelligst einsehen, dass israel menschenverachtende handlungen vornimmt.ausserdem muessten ja palaestinensische frauen ihre kinder an den grenzen bekommen, da man sie nicht durchlaesst?????
    kaum zu glauben, wie blauaeugig doch manche alles als tatsachen hinnehmen!

  3. Bis zu ersten Teilüberschrift geht der Text doch…
    Oh man, für das nicht verwenden von Konjunktiv würde man mir im Studium die Birne abreisen, nicht zu fassen was noch so rumläuft.
    Von dem beschossenen Haus habe ich zuletzt aber auch irgendwo gelesen, frag mich nicht mehr wo, aber es war recht vertrauenswürdig. Vll schau ich noch mal nach wo es war.

  4. Andreas,

    auch wenn ein „vertrauenswuerdiges“ Medium die Sache berichtet, bleibt bestehen, dass als Quelle ausschliesslich pal. Behauptungen zur Verfuegung stehen und dass die IDF sich zur angegebenen Zeit nicht dort aufhielt. (Solche Daten sind nachpruefbar, daher gehe ich davon aus, dass der Armeesprecher die Wahrheit sagt.) Hier handelt es sich mit hoechster Wahrscheinlichkeit um eine Luege im Stil des „Massakers von Jenin“.

  5. „Liebe Eltern, ich empfehle einen geharnischten Leserbrief an die FAZ und vielleicht eine Kuendigung des Abonnements.“

    Liebe Ruth,

    über die Berichterstattung der F.A.Z. habe ich eine längere Analyse geschrieben, Bremer kommt auch drin vor:

    http://zeitungfuerdeutschland.wordpress.com/2009/01/06/gegossenes-blei-und-die-berichterstattung-deutscher-medien-am-beispiel-der-faz-alte-bekannte-und-neue-freunde-teil-1/

    Der dritte Teil, in denen es um die Reaktionen der F.A.Z.-Leser geht wird heute Abend oder morgen erscheinen – es wird heftig. Warum ich die F.A.Z. trotzdem abonniert habe? Die Antwort lautet: Es gibt in Deutschland keine Alternative (abgesehen davon, dass die F.A.Z. in anderen Bereichen eine gute Zeitung ist). Oder anders: Wer sich in Deutschland ausgewogen über Israel informieren will, sollte keine Tageszeitung lesen.

  6. Der dritte Teil ist fertig und beim Schreiben habe ich mir doch ernsthafte Gedanken über die Fortführung meines Abonnements gemacht…

  7. Danke dass du der safe-house Geschichte nachgegangen bist, ich bin danach auch schon mehrfach gefragt worden hatte aber nicht die Zeit so umfassend zu recherchieren wie du.

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