Studie in anti-israelischen Nuancen, FAZ


Achtung: Ich lasse den Text stehen, wie der Bloggerehrlichkeit geschuldet, aber ich habe meine Meinung revidiert.

Wie schon die Zeitung fuer Schland festhaelt, kann die anti-israelische Einstellung der FAZ nicht ausschliesslich an Joerg Bremer festgemacht werden.

Hans-Christian Rößler (hcr.) liefert mir mit seinem Text Israel: Der Nebel über Gaza lichtet sich Material fuer eine Fallstudie, wie anti-israelische Vorurteile in subtilen Nuancen transportiert werden koennen.

Gut einen Monat nach dem Ende der israelischen Militäroffensive untersucht die Armee intensiv den Verlauf des kurzen Krieges

Die Formulierung legt nahe, dass die IDF mehr als einen Monat gewartet hat, um den Krieg zu analysieren. Das ist natuerlich falsch und richtig haette es lauten muessen „Seit gut einem Monat…“ Diese Tatsache wird im weiteren Verlauf des Textes deutlich:

Die Armee hat sich nach Kriegsende selbst daran gemacht, alle Namen zu überprüfen. Noch ist sie nicht ganz fertig damit.

Die irrefuehrende Formulierung im zweiten Satz folgt auf den ersten Satz:

Nur langsam lichten sich die Nebel des Gaza-Krieges.

Gleich zu Beginn des Textes wird also suggeriert, dass die israelische Armee fuer das langsame Lichten des Nebels veranwortlich sei. Und natuerlich wird damit der Verdacht geschuert, Israel habe etwas zu verbergen. Das Gegenteil ist richtig, die IDF analysiert sehr viel schneller und gruendlicher als irgendeine vergleichbare Armee. (Wer erinnert sich an namentliche Listen der Toten beim Eingreifen der NATO im Kosovo oder in Afghanistan?!) Tatsaechlich ist die IDF durch die uebersteigerte Aufmerksamkeit der Weltoeffentlichkeit dazu gezwungen.

Dass die IDF einen Monat nach Kriegsende noch keine offizielle Antwort auf die Vorwuerfe von Kriegsverbrechen (von solchen Leuchten der Menschen- und Voelkerrechte wie Jordanien und der PA erhoben!), legt Roessler als „vertroesten“ aus.

Wer jedoch bei der israelischen Armee genauer nachfragt, was sie zu solchen Vorwürfen zu sagen, wird dennoch auf später vertröstet. Sie würden überprüft, aber „die Glaubwürdigkeit der Antworten halten wir für wichtiger als die Geschwindigkeit, mit der wir sie erteilen“, sagte eine Armeesprecherin dieser Zeitung.

Das im Wort mitschwingende „hinhalten“, verstaerkt den Verdacht beim unbefangenen Leser, dass Israel die Antworten schon kennen wuerde, aber lieber nicht offen zugibt.

Dieselbe Botschaft wird gleich darauf noch einmal vermittelt:

Eine offizielle Bestätigung ist nicht einmal für einen Bericht der Zeitung „Jerusalem Post“ zu erhalten, der eigentlich die Soldaten entlastet.

Die Betonung durch „nicht einmal“ und „eigentlich“ verraet, dass Roessler davon ausgeht, keine offizielle Bestaetigung fuer Berichte zu erhalten, die Soldaten belasten. Dabei bringt er selbst anschliessend das Gegenbeispiel.

Die Zurückhaltung der Armeesprecher in den vergangenen Tagen bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch Fehler zugeben werden. So übernahm die Armee die Verantwortung für den Tod dreier Töchter und einer Nichte des auch in Israel arbeitenden palästinensischen Arztes Issaldin Abu al Aisch. Ein israelischer Panzer habe das Haus beschossen, auf dessen Dach Soldaten verdächtige Bewegungen ausgemacht hatten.

Tatsaechlich hat Israel bestaetigt, dass die drei Maedchen durch ein israelisches Panzergeschoss getoetet wurden. Die Verantwortung aber hat Israel nicht uebernommen, sondern eindeutig auf Hamas verwiesen, die in klarer Verletzung des Kriegsvoelkerrechts in einem zivilen Wohnviertel militaerisch agierte.

In Roesslers Text fehlt jeder Hinweis darauf, dass Hamaskaempfer sich bewusst und zynisch unter Zivilisten versteckt haben. Die Behauptung, Israel habe keine

„Keine Unterscheidung zwischen Kämpfern und Zivilisten“

vorgenommen, die noch als Zwischentitel hervorgehoben wird, muesste aber vor diesem Hintergrund betrachtet werden, wenn es nicht nur darum ginge, Israel schlecht dastehen zu lassen.

Die zitierte

Netta Amar-Shiff, die sich bei der schwedischen Hilfsorganisation Diakonia mit Fragen des humanitären Völkerrechts befasst

kennt sich uebrigens mit internationalem Recht entweder tatsaechlich schlecht aus oder sie sucht sich regelmaessig nur das heraus, was ihr in den Kram passt, wie das bei Menschenrechtsorganisationen heutzutage Usus geworden ist.

Nach ihrer Einschätzung wurde in Gaza zudem nicht genug Mühe darauf verwandt, auch bei Hamas-Mitgliedern zwischen Zivilisten und Kämpfern zu unterscheiden. Sie seien nicht automatisch Kriegsteilnehmer wie Mitglieder regulärer Armeen, sagt Nett Amar-Shiff. „Konsens besteht eigentlich darüber, dass Hamas-Kämpfer Zivilisten sind, die an Kampfhandlungen teilnehmen. Aber sie können nur dann angegriffen werden, wenn sie sich aktiv an Angriffen auf Israel beteiligen.“

Ueber die Einordung von Hamaskaempfern als Zivilisten besteht keineswegs Konsens. Und die Auffassung, dass nicht gekennzeichntete ( (was bereits einen Verstoss gegen Kriegsrecht darstellt) Kombattanten ausser im Augenblick des aktiven Kampfes Schutzanspruch haetten und damit besser gestellt waeren als regulaere Kriegsteilnehmer, ist obsolet, weil die Nichteinhaltung von Kriegsrecht belohnt und damit gefoerdert wuerde.

Das Israelische Oberste Gericht hat ein bahnbrechendes Urteil zur Frage erlassen, wann Schutzanspruch besteht:

On the one hand, a civilian taking a direct part in hostilities one single time, or sporadically, who later detaches himself from that activity, is a civilian who, starting from the time he detached himself from that activity, is entitled to protection from attack. He is not to be attacked for the hostilities which he committed in the past. On the other hand, a civilian who has joined a terrorist organization which has become his „home“, and in the framework of his role in that organization he commits a chain of hostilities, with short periods of rest between them, loses his immunity from attack „for such time“ as he is committing the chain of acts. Indeed, regarding such a civilian, the rest between hostilities is nothing other than preparation for the next hostility (see Daniel Statman, Targeted Killing, 5 THEORETICAL INQUIRIES IN LAW 179, 195 (2004)).

Angesichts dieses Urteils ist die Vorstellung, es gaebe Hamaskaempfer, die als Zivilisten vollen Schutzanspruch geniessen, entweder bodenlose Ignoranz oder boeswillige Luege.

Roessler sucht sich in bewaehrter Manier der „Alibijuden“ israelische Gewaehrsleute, die das aussprechen, was er vermitteln moechte:

In Gaza sei eine Situation entstanden, in der die Mehrheit der Männer und Gebäude plötzlich als legitime Ziele galten. Das Recht sei regelrecht auf den Kopf gestellt worden, klagt Orna Ben-Naftali. Statt Gewaltanwendung einzuschränken, um das Leid der Zivilbevölkerung zu mindern, sei Recht so interpretiert worden, dass es sie rechtfertigte.

Für dringend notwendig hält sie daher eine unabhängige Untersuchung des Krieges; es reiche nicht aus, dass nur die Armee ermittle. Dabei müsse auch die Frage gestellt werden, ob „Israel die palästinensischen Zivilisten leiden lassen wollte, um Ziele zu erreichen, die nicht militärisch, sondern eher politisch waren“.

Hier schliesst sich der Bogen, denn offensichtlich hatte Roessler bei der Armeesprecherin angefragt, ob Israel Zivilisten angreife.  Aus dem zweiten Absatz zitiert:

Sie würden überprüft, aber „die Glaubwürdigkeit der Antworten halten wir für wichtiger als die Geschwindigkeit, mit der wir sie erteilen“, sagte eine Armeesprecherin dieser Zeitung. Man greife aber definitiv keine Zivilisten an.

Das Dementi der Armeesprecherin wird nun durch Orna Ben-Naftali abgewertet. Fuer Roessler ist der Fall offensichtlich klar: Israel greift Zivilisten an!

Und zum kroenenden Abschluss noch das „negative Gesamturteil“ von Cordesmann:

Israel habe den „Krieg der (internationalen) Wahrnehmung“ verloren, denn die Kämpfe mit vielen zivilen Opfern seien ohne ein eindeutiges Ergebnis zu Ende gegangen. „Ein Krieg, an dessen Ende beide Seiten behaupten können, sie hätten gewonnen und der viele Ursachen, die zu dem Konflikt führten, unverändert lässt, ist kein klarer Sieg.“

Natuerlich koennte man sich fragen, ob Israel vielleicht deshalb auf den klaren Sieg verzichtete, weil es so viele Ruecksichten auf die Bevoelkerung im Gazastreifen nahm. Man koennte auch fragen, welche Mitverantwortung die Medien daran haben, dass Israel „den Krieg der internationalen Wahrnehmung verloren“ hat. Roessler und seine Kollegen sind in diesem Krieg keine Beobachter, sondern Akteure. Und in diesem Artikel plaziert sich Roessler eindeutig an Hamas‘ Seite.ng

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3 Antworten

  1. Danke für diesen Beitrag! Rößler ist übrigens auch in der Berichterstattung während und unmittelbar nach der Operation Gegossenes Blei unangenehm aufgefallen, wobei ich ihn tendenziell für ausgewogener als Bremer halte, da muss man mal abwarten.

    Nachdem Bremer künftig aller Voraussicht nach ja weniger Zeit haben wird, sich Israel zu widmen, dürften sich künftig Wolfgang Günter Lerch, Rainer Hermann und eben Rößler um die Krone der „israelkritischen“ Berichterstattung in der F.A.Z. streiten.

  2. […] F.A.Z.-Korrespondent in Israel. Wer wissen möchte, wie Rößler seiner Arbeit nachgeht, kann dies auf “Blick auf die Welt – von Beer Sheva aus” nachlesen. Es wird dabei nicht nur gezeigt, “wie anti-israelische Vorurteile in subtilen Nuancen […]

  3. […] Gleich hinterherschicken können wir den ebenfalls für die FAZ arbeitenden Hans-Christian Rößler, der so suggestiv schreibt, dass dem unbefangenen Leser gar nichts anderes übrig bleibt als Israel als Hort des Schreckens und der Verheimlichung zu denken. Dabei überinterpretiert ganz gerne einmal etwas, das die IDF geäußert hat, unter Auslassung wichtiger Einzelheiten besagter Äußerung, damit Verursacher nicht als solche gedeutet werden müssen – wenn er nicht sogar eindeutig die Unwahrheit von sich gibt. (Beer7 hat den Schmierfinken seziert.) […]

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