Hungerstreik als Druckmittel


In Israel geht gerade der Hungerstreik von sicherheitsverwahrten Palaestinensern zu Ende.

Bei dieser Gelegenheit moechte ich die Verwendung von Hungerstreiks als Druckmittel im Nahen Osten etwas genauer anschauen. Meine Arbeitshypothese ist folgende: Ein Hungerstreik impliziert, dass die relevante Autoritaet ein Interesse daran hat, dass der Gefangene am Leben bleibt. Der Gefangene muss davon ausgehen, dass die Weltoeffentlichkeit und in einer Demokratie auch die eigene Bevoelkerung die Ziele des Hungerstreikenden unterstuetzen wird.

Afghanistan:
Im Maerz 2012 haben ca. 100 Gefangene im Pul-e Charkhi Gefaengnis in Afghanistan einen Hungerstreik begonnen. Dieses Gefaengnis wird noch von den US-Streitkraeften kontrolliert, soll jedoch innerhalb von 6 Monaten an die afghanische Regierung uebergeben werden. Das scheint eine Folge der Proteste zu sein, mit denen Afghanen auf die Nachricht reagierten, dass die US-Streitkraefte Koranausgaben verbrennen wollten.

Tatsaechlich ist eine der konkreten Forderungen der Gefangenen in Pul-e Charkhi, dass sie Zugang zu religioesen Texten bekommen wollen. Die Gefaengnisleitung erklaert, dass Korane konfisziert werden mussten, weil Gefangene, darunter Taliban und Al-Kaide Kaempfer sie zur Kommunikation untereinander verwendeten.

Das war natuerlich genau der Grund, warum die US-Streitkraefte Korane einsammelten und verbrennen wollten.

Diese Nachrichten sind zwei Monate alt. Ich kann keine neue Entwicklung zu diesem Hungerstreik finden. Entweder er wird fortgefuehrt, ohne dass sich jemand dafuer interessiert oder er wurde stillschweigend beendet, mit oder ohne Zugestaendniss durch die Gefaengnisleitung.

Aegypten:
In Aegypten erhielt letztes Jahr der Fall des inhaftierten Bloggers Maikel Nabil Sanad einige Aufmerksamkeit. Sanad kann seinen Hungerstreik unmoeglich die gesamte Zeit ueber durchgehalten haben, er wurde erst im Januar 2012 entlassen nach fast 10 Monaten Haft. Fuer seine Entlassung bedankt er sich bei der internationalen Oeffentlichkeit, hier Amnesty International.

Jordanien:
Hier finde ich nur einen Fall von 2002, als eine Frau nach 29 Tagen Hungerstreik durch koenigliche Gnade freigelassen wurde. Ihr „Verbrechen“ war offensichtlich, auf Korruption hinzuweisen. Von oeffentlichen Aemtern ist sie nach wie vor ausgeschlossen.

Zu Hungerstreikenden Haeftlingen im Irak konnte ich gar nichts finden.

Syrien:
Ich bin etwas ueberrascht, auch einen Hungerstreik in Syrien vom Maerz 2011 zu finden. Man sollte meinen, das ein Regime, das seine Buerger offen
toetet, sich kaum anstrengen wird, Gefangene im Hungerstreik am Leben zu erhalten. Die Streikenden beweisen aehnlichen Todesmut wie die Demonstranten, die sich seit einem Jahr immer wieder den Streitkraeften des Assadregimes als Ziel praesentieren. (Noch etwas frueher begann Dr. Toumama Maarouf ihren Hungerstreik.) innerhalb von Tagen wurde Haitham al-Maleh, der 80jaehrige Menschenrechtsaktivist, der zusammen mit 12 anderen Gefangenen in Adra in Streik trat freigelassen. Ich wuerde vermuten, dass die Amnestie fuer alte Gefangene nur seinetwegen erfunden wurde. al-Maleh hat eine gewisse Prominenz. Die anderen 12 offensichtlich nicht. Im Juni 2011 war der Hungerstreik in Adra anscheinend noch aktuell, aber darueber hinaus finde ich keine Informationen.

Iran:
Im Juni 2011 soll ein iranischer Haeftling, Hoda Saber, an den Folgen seines Hungerstreiks gestorben sein. 12 weitere politische Gefangene im Iran begannen daraufhin einen Hungerstreik. Was aus ihnen geworden ist, kann ich nicht finden. Von Januar 2012 befand sich Medhi Khazali, ein inhaftierter Blogger im Hungerstreik, Anfang Maerz 2012 wollte er diesen intensivieren. Ende Maerz wurde er entlassen. Vermutlich immer noch im Hungerstreit ist Ali Moradi, der seit dem 4. April hungert. Die letzte Nachricht von ihm, die ich auf die Schnelle finde, stammt vom 5. Mai.

In Saudi-Arabien wird dementiert, dass sich Mohamad al-Bajadi im Hungerstreik befinde.

In Bahrain wird das Verfahren gegen 21 Regimegegner wieder aufgerollt. Einer davon, Abdulhadi Al-Khawaja, befindet sich zwei Monaten im Hungerstreik

Nirgends finde ich eine so grosse und gut vermarktete Aktion wie die der ca. 1,600 Hungerstreikenden in Israel.

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