NZZ auf anti-israelischem Kurs


Seit einigen Jahren versucht die immer staerker der extremen Linken zuneigende Ha’aretz, Israel als Apartheid-Staat darzustellen.

Vor 14 Tagen war es Akiva Eldar, der in Ha’aretz Zahlen des Israelischen Zentralen Amts fuer Statistik (Central Bureau of Statistics = CBS) erfunden hat, um Israel Apartheid zu unterstellen:

…To summarize, Akiva Eldar took an unsubstantiated figure which appeared in The Marker (12 million residents from the Jordan River to the sea) and attributed this figure to the Ministry of Finance and the Central Bureau of Statistics, two governmental bodies, despite the fact that neither of them mentioned the figure. And, based on these journalistic acrobatics, we have the false headline „The government’s acknowledgement that Jews are a minority in this land. . . “

…Why did Eldar invest so much effort into manipulating this data? The answer appears in the online subheadline, which posits that even the Israeli government acknowledges that „apartheid is here.“ Appealing to the most rabid anti-Israel activists, Ha’aretz pulls the „apartheid“ genie out of the bottle, all by relying on an incorrect, unsubstantiated figure falsely attributed to the government. Ha’aretz knows precisely for whom they are writing overseas, and Eldar knows how to deliver.

Zusammenfassend: Akiva Eldar nahm eine unbelegte Zahl, die in „The Marker“ erschienen war (12 Millionen Einwohner zwischen Meer und Jordan) und schrieb diese Zahl dem Finanzministerium und dem Zentralen Amt fuer Statistik zu, zwei staatlichen Instutionen, obwohl keine der beiden Stellen diese Zahl irgendwo erwaehnt hatte. Auf der Grundlage dieses journalistischen Taschenspielertricks erschien dann die Schlagzeile „Regierung gibt zu: Juden sind eine Minderheit in diesem Land …“

… Warum investiterte Eldar so viel Muehe darin, die Zahlen zu manipulieren? Die Antwort wird aus dem Untertitel der on-line Ausgabe ersichtlich „Apartheid ist hier“. Ha’aretz wendet sich an die extremsten Israelhasser und laesst den Djinn „Apartheid“ aus der Flasche, auf der Grundlage einer falschen, unbelegten und falsch unterschobenen Zahl. Ha’aretz weiss genau, fuer wen sie schreibt, und Eldar liefert die Ware.

(Uebersetzung von mir) Und letzte Woche hatte Gideon Levy in Ha’aretz nichts Eiligeres zu tun, als die Ergebnisse einer bereits manipulativen Umfrage zu verfaelschen: auch Israelis wuessten und wuenschten, in einem Apartheidstaat zu leben.

Sicher ist es kein Zufall, dass Akiva Eldar und Gideon Levy zwei von drei Ha’aretzjournalisten sind, die nicht einmal bereit waren, den Lynchmord an zwei israelischen Reservesoldaten zu verurteilen.

Die NZZ ist noch nicht auf das Niveau von Ha’aretz gesunken, aber sie bewegt sich in dieselbe Richtung.

Im Artikel Keine Apartheid in Israel – oder doch? schreibt Joerg Bischoff:

Zwar sind 48 Prozent der Israeli gegen die Annexion des Westjordanlands.

Daraus schliesst ein unwillkuerlich rechnender Leser, dass 52% – also eine Mehrheit – der Israelis fuer die Annexion des Westjordanlands seien. Weil mir das sehr eigenartig erschien, machte ich mir die Muehe, die Frage im Umfrageoriginal nachzulesen:

Frage 13 lautet auf Deutsch: Waeren Sie dafuer oder dagegen, wenn Israel alle Gebiete, wo es Siedlungen gibt, annektierte?

Das Territorium, von dem hier die Rede ist, bleibt sehr unbestimmt. Mit Sicherheit handelt es sich nicht um das gesamte Westjordanland. In den Palaestinensichen Autonomen Gebieten, A und B gibt es nirgends Siedlungen, diese Gebiete waeren also bei der Frage schon mal ausgenommen.

Mit einiger Wahrscheinlichkeit duerfte ein Teil der Befragten davon ausgegangen sein, dass die Siedlungsbloecke gemeint (siehe Karte auf S. 15) waren, wie sie seit dem Brief von George W. Bush immer wieder im Gespraech waren. Diese sollten von Israel annektiert und durch die Ueberlassung von anderem Territorien an die PA abgegolten werden. In diesem Fall waeren von den Befragten 48% gegen die Annexion selbst solcher vergleichsweise kleiner Gebiete mit hoher Siedlungsdichte. Nur 38% befuerworten eine solche Annexion und 14% haben keine Meinung.

Weiter schreibt Bischoff:

Doch finden es drei Viertel der Befragten richtig, dass es dort getrennte Strassen für Palästinenser und Israeli gibt.

Auch hier werden die Umfrageergebnisse in irrefuehrender Weise praesentiert. Auf Frage 17:  „In den Gebieten gibt es Strassen, die nur von Israelis benutzt werden duerfen und Strassen, die nur von Palaestinensern benutzt werden duerfen. Welche der folgenden Einschaetzungen entspricht am ehesten Ihrer Meinung?
Das ist eine gute Regelung.
Das ist keine gute Regelung, aber da laesst sich nichts machen.
Das ist keine gute Regelung und sie sollte abgeschafft werden.“

Nur 24% der Befragten finden die Regelung gut, 50% finden sie nicht gut, sehen aber keine Alternative, 17% wuerden die getrennten Strassen gern abschaffen und 9% haben keine Meinung.

Nicht wahr, dass ergibt einen anderen Eindruck, als von Joerg Bischoff suggeriert?

Ich moechte auch daran erinnern, warum es getrennte Strassen gibt.>

In diesem Auto wurden ein Ehepaar, eine schwangere Frau und ein weiterer Mann durch Schuesse ermordet.

Frage 16: “ Wenn Israel Gebiete in Juda und Samaria annektieren wuerde, sollten dann Ihrer Meinung nach 2.5 Millionen Palaestinenser das Wahlrecht zur Knesseth erhalten?“

Wie schon oben beschrieben, sind die Gebiete alles andere als klar definiert. Wenn die Befragten oder ein Teil der Befragten davon ausging, dass die Gebiete der Autonomiebehoerde nicht gemeint sein koennen, dann gibt die Zahl 2.5 Millionen Palaestinenser keinen Sinn.

Auch wenn das gesamte Territorium des Westjordanlandes gemeint ist, gibt die Zahl keinen Sinn. 2.5 Millionen entsprechen etwa (die Schaetzungen gehen etwas auseinander) der palaestinenischen Gesamtbevoelkerung im Westjordanland einschliesslich Ost-Jerusalem. Das aktive Wahlrecht wird nur Volljaehrigen zugestanden. Nach dem CIA World Fact Book sind schon 35% der Bevoelkerung  unter 15 Jahre alt. Den arabischen Bewohnern von Ost-Jerusalem steht es frei, das israelische Buergerrecht anzunehmen, was auch in zunehmendem Mass angenommen wird.

Die Antworten – 19% wuerden 2.5 Millionen Palaestinensern volle Buergerrechte gewaehren. 69% meinen, das sei nicht angebracht und 2% haben keine Meinung – koennen daher nicht einfach als Wunsch nach Apartheid interpretiert werden. Die Befragten (Israelis kennen sich mit diesen Zahlen normalerweise recht gut aus) koennten den Unfug bemerkt oder vermutet haben, dass auch noch ein Rueckkehrrecht fuer Palaestinenser aus anderen Staaten gemeint sein koennte. Die Forderung nach einem Rueckkehrrecht fuer palestinensische Fluechtlinge und alle ihre Nachkommen, ist aber nichts weiter als die Forderung nach der Zerstoerung Israels als juedischem Staat.

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Hamas erstarkt


Gazaland erhielt gestern den ersten Staatsbesuch, den Scheich von Qatar.

Dementsprechend wurden Willkommensschilder aufgestellt,

der rote Teppich ausgerollt,

und Kinder hielten Luftballons:

Etwas weniger international ist der Brauch, vor dem Gast und zu seinen Ehren Schafe zu schlachten:

(Hattip: Elder of Ziyon)

Ein Feuerwerk durfte auch nicht fehlen: Total number of rockets fired from Gaza rises to 80. Bilder davon finden sich ebenfalls bei Elder of Ziyon.

Drei Gastarbeiter in der Landwirtschaft wurden verletzt, zwei davon schwer. Diese Rakete fiel offensichtlich in einen Huehnerstall. Die Opfer unter den Huehnern wurden nicht gezaehlt. Durch eine andere Rakete wurde eine Frau leicht verletzt.

Bei dieser Gelegenheit moechte ich die Abstufung der Verletzungen, wie sie in Israel ueblich ist, wiederholen:

lebensgefaehrlich – wird meistens nur als Umschreibung fuer “noch nicht klinisch tot” verwendet. Wenn jemand eine solche Verletzung lebend uebersteht, spricht man von einem Wunder.
schwer – fuer alle Verwundungen, die zwar lebensgefaehrlich sind, aber eine reale Chance zum Ueberleben beinhalten.
mittel – Verletzungen, die das Leben nicht bedrohen, aber bleibende Schaeden nach sich ziehen, die den Betroffenen daran hindern, je wieder ein ganz normales Leben zu fuehren. (Verluste von Gliedmassen, Laehmung, Erblindung, Hoerverlust etc.)
leicht – alle anderen physischen Verletzungen. Vom Verlust eines Auges, Fingern oder der Hoerfaehigkeit in einem Ohr bis zur Schnittwunde
Schock – jede nicht physische Verletzung. Menschen, die solche Traumata erlebt haben, koennen oft ueber Jahre hinweg nicht normal leben.

Die israelische Armee reagiert mit gezielten Luftangriffen. Drei Terroristen wurden getoetet, waehrend sie eine Raketen zuenden wollten.

Hamas beschwert sich, dass Israel ihnen damit die Freude am Staatsbesuch vermiesen moechte.

Spass beiseite: Wie Barry Rubin voellig richtig analysiert, fuehlt sich Hamas mit der Regierung der Muslimbruderschaft in Aegypten staerker. Der Staatsbesuch duerfte ebenfalls dazu beigetragen haben.

Eine unwillkommene Neuigkeit wird unterdrueckt


Gestern gab Laurent Fabius, der franzoesische Aussenminister, im Radiosender Europa 1 zu Protokoll, dass nach unzweifelbaren Informationen der Iran bis Mitte 2013 die Mittel haben werde, eine Atombombe zu bauen.

In der deutschen Medienlandschaft berichtet darueber genau ein Internetmedium: die Berliner Rundschau, wobei sie klar vermittelt, dass der Bericht nicht glaubwuerdig sei: „unterstellt“ schon in der Schlagzeile, im Text dann „will Frankreichs Außenminister Laurent Fabius Beweise dafür vorliegen haben“ und „Details zu seinen Erkenntnissen teilte der Politiker nicht mit. Auch eine Quelle für wollte Fabius nicht nennen.“ Ausserdem berichtet Dradio.

In der Schweiz konnte sich der Tagesanzeiger nicht entschliessen, die Nachricht ganz zu unterdruecken. Sie findet sich im letzten Absatz unter dem Titel Sanktionen treffen offenbar Irans Gesundheitssystem

Paris: Bau iranischer Atomwaffe bis Mitte nächsten Jahres möglich
Der Iran könnte nach Aussage des französischen Aussenministers Laurent Fabius bereits bis Mitte nächsten Jahres zum Bau einer Atomwaffe in der Lage sein. Es sei auf «absolut unstrittige Weise» ermittelt worden, dass der Iran über die nötigen Zentrifugen verfüge, die das Land offenbar zum Besitz einer Atomwaffe bis Ende Juni 2013 befähigen würden, sagte Fabius heute dem Radiosender Europe-1 unter Berufung auf nicht näher identifizierte Experten. Weitere Angaben machte er nicht.

In Frankreich konnten sich weder Le Monde noch Le Figaro druchringen, die Nachricht zu bringen. Auch in England konnte ich keinen Zeitungsbericht dazu finden.

Ausser in den israelischen Medien wird die Nachricht fast nur in den USA rezipiert.

Dagegen wurde weithin berichtet, dass sich die USA und Iran auf direkte Verhandlungen geeinigt haetten.

Dazu schreibt Barry Rubin

Are supposed negotiations with Iran the “October Surprise” intended to win the election for President Barack Obama, an Iranian trick for buying time, or both?

The answer is both. It’s an incredibly transparent ploy, though with the cooperation of the mass media such a gimmick might well have some effect.

Sind die angeblichen Verhandlungen mit dem Iran die „Oktoberueberraschung, mit denen Barack Obama die Wahl gewinnen will oder ein iranischer Trick, um Zeit zu gewinnen oder beides?

Die Antwort ist beides. Es ist ein unglaublich durchsichtiger Trick, aber dank der Kooperation der Massenmedien koennte dieser Gimmick tatsaechlich Wirkung entfalten.

(Hervorhebung von mir)

Ich kann nur hoffen, dass irgendein Historiker der Zukunft die Rolle der Medien Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts mal aufarbeitet.

„Sogar Israelis“


Die Welt ist eigentlich eine der wenigen, deutschsprachigen Zeitungen, wo man noch solide Artikel ueber Israel lesen kann. Aber die verbreiteten Vorurteile beeinflussen auch dort die Redaktion. In „Besser als Krieg. Der palästinensische Internet-Boom“ wird ueber die sich rasant entwickelnde Hich-Tech Branche im Westjordanland berichtet. Im Untertitel signalisiert die Welt, dass das Israel eigentlich nicht Recht sein koenne:

Pro Jahr machen 2000 IT-Fachleute ihren Abschluss an Universitäten im Westjordanland und Gaza. Ihre Jobaussichten sind glänzend. Sogar Israelis lagern ihre Projekte mittlerweile an Palästinenser aus.

(Hervorhebung von mir) Dieses „sogar“ ist eine Verleumdung. Die palestinensische High-Tech Industrie gibt es nicht zuletzt, weil Israel sie gefoerdert hat.

Im Artikel wird darauf hingewiesen, dass noch 2008 davon kaum eine Rede sein konnte:

Damals, im Jahr 2008, machte der Sektor nur 0,8 Prozent des palästinensischen Bruttoinlandsproduktes aus.

Und hier ein Papier der Ben-Gurion-Universitaet in Beer Sheva zur Entwicklung der High-Tech Industrie in den palaestinensischen Gebieten von 2007:

Conclusions
• Should this type of cooperation be considered?
– Yes, there is a basis for the consideration of Palestinian-Israeli
cooperation in high-tech activities.
• Inhibiting factors?
– Certainly, mainly “technical barriers”.
– Palestinians are more sensitive to inhibiting factors, but show more
openness to all models of cooperation, with a preference to virtual
models, that are less dependent on the inhibiting factors.
• Why cooperate?
– Economic benefits are considered as a major drive for cooperation.
– They are mostly important to Palestinians, while Israelis attach an
equal weight to non-economic benefits.
• What should be done?
– Public support is important but not necessarily considered as the
major instrument for cooperation, especially not by high-tech people.
– Joint projects are viewed as an efficient cooperation pattern.
– Universities can play a major role in supporting cooperation patterns
that are less sensitive to inhibiting factors.

(Hervorhegung von mir). Seit langem beweist Israel ein grosses Interesse daran, die wirtschaftliche Lage der Palaestinenser zu verbessern. Der Gedanke dabei ist natuerlich, dass die Palaestinenser eventuell weniger rasch zu Terror und Gewalt greifen, wenn sie durch Krieg etwas zu verlieren haben.

Industrieparks entlang der Gruenen Linie waren ein Produkt dieser Strategie. Einer der aeltesten solcher Parks war der Erez-Industriepark an der Grenze zum Gazastreifen.

Was daraus geworden ist, laesst sich hier (auf Englisch) nachlesen. Ich uebersetze ein paar Punkte:

The failure began with small scale terrorism. A few workers successfully slipped in some knives, and decided to hack the people who paid their wages to pieces. Security was increased, to help all the other poor workers continue their jobs. So they came as suicide bombers and blew up the security check point. Security was increased (at which point it became as hard to enter the park as Israel, losing part of the advantage). So they shot mortars at the park.

That pretty much did it. The companies couldn’t keep their Israeli workers there with threats of knifing, suicide bombers, AND mortars. The companies left, the poor Palestinians went home without a job.

Der Fehlschlag begann mit ein bisschen Terrorismus auf niedrigem Niveau. Ein paar Arbeiter schafften es, Messer einzuschmuggeln und beschlossen, auf die Leute einzustechen, die ihre Gehaelter bezahlten. Die Sicherheitsmassnahmen wurden verschaerft, damit all die anderen armen Arbeiter ihre Arbeitsplaetze behalten konnten. Daraufhin kamen Selbstmordattentaeter und sprengten die Sicherheitsposten in die Luft. Die Sicherheitsmassnahmen wurden weiter verschaerft. (Damit war es nun genauso schwer, den Industriepark zu betreten, wie nach Israel einzureisen, womit ein Vorteil des Parks verloren ging.) Daraufhin wurden Moerserraketen auf den Industriepark abgeschossen. 

Das gab den Ausschlag. Die Firmen konnten ihre israelischen Arbeitskraefte nicht halten angesichts drohender Messerangriffe, Selbstmordattentaten UND Raketen. Die Firmen gingen weg und die armen Palaestinenser gingen arbeitslos nach Hause.

Das war’s dann wohl hinsichtlich des Gazastreifens.

Aber Israel gibt so schnell nicht auf: Netanyahu Identified Palestinian Economic Growth As Key To Peace.

Martin Woker – ausgeleuchtete Vorurteile


Martin Woker hat einen Kommentar in der NZZ, in dem er seine Vorurteile gut ausgeleuchtet zur Schau stellt.

Die Ankündigung vorgezogener Parlamentswahlen in Israel überrascht nicht. Auch die von Ministerpräsident Netanyahu angeführte Begründung, wonach sich seine Regierungskoalition nicht auf ein Budget einigen konnte, war zu erwarten gewesen – ernst zu nehmen ist sie nicht. Der Grund für Netanyahus Entscheid ist in der Stärke der aus dem Likud, Nationalisten und Religiösen bestehenden Koalition zu suchen, die in der Knesset 66 der 120 Sitze hält. Über ein Drittel der Stimmbevölkerung wünscht sich laut Umfragen Netanyahu als Chef der nächsten Regierung. Das sind phantastische Aussichten vor einem voraussichtlich nur drei Monate währenden Wahlkampf.

Nur ein Drittel Zustimmung gelten anderswo eher als schlechte Prognose. Ha’aretz, das Leib-und-Magen-Blatt aller israelkritischen Journalisten, berichtete denn auch vor gerade mal zwei Monaten, dass 31% Zustimmung fuer Netanyahu dessen schlechteste Umfragergebnisse seit Amtsantritt sind.

Im Mai waren ebenfalls vorgezogene Wahlen im Gespraech. Als sich dann die Kadima-Partei unter Mofaz der Koalition anschloss, war das Thema wieder beerdigt. Als sich Kadima nach weniger als drei Monaten aus der Koaltion verabschiedete, kam das Thema wieder auf die Tagesordnung.

Beides spricht dafuer, dass die Mehrheitsverhaeltnisse in der Knesseth sehr wohl eine grosse Rolle spielen.

Herr Woker muss das ausblenden, weil es nicht in sein Weltbild passt, dass der „Hochstapler“ Netanyahu moeglicherweise wahre Gruende fuer die vorzeitigen Wahlen angibt.

Dem rhetorisch beschlagenen Politiker ist es gelungen, die im Sommer des Vorjahrs ausgebrochenen Sozialproteste zu beenden, ohne dafür politische Konzessionen zu machen.

Fuer mein Teil erinnere ich mich deutlich, dass auf Grund der Empfehlung der Trachtenbergkommission, allgemeine, gebuehrenfreie Kindergaerten fuer Kinder ab 3 Jahren eingefuehrt wurde. Noch vor einem Jahr begann die gebuehrenfreie Betreuung erst mit 5 Jahren. Innerhalb eines Jahres die notwendigen Raeume zu schaffen und das Personal einzustellen, damit mit Beginn dieses Schuljahrs alle Kinder ab 3 Jahren einen Kindergartenplatz haben, war sehr hektisch. Und alles andere als kostenlos: Zum 1. August wurde die Mehrwertsteuer um 1% angehoben. (Deswegen ja auch der Absturz in den Umfragewerten fuer Netanyahu und noch mehr fuer seinen Finanzminister, siehe Ha’aretzlink oben) Ab 2013 soll ausserdem die Einkommenssteuer fuer alle, die mindestens 14,000 (~2800 Euro) im Monat verdienen, erhoeht werden. Das ist der Mittelstand – mein Mann und ich werden auch betroffen sein. Fuer unsere Kinder haben wir seinerzeit noch ueber 1600 NIS pro Kind im Monat an Kindergartengebuehren bezahlt.

Aber Herr Woker kann sich mit solchen Kleinigkeiten nicht aufhalten. In seiner Einschaetzung von Netanyahu muss der Fokus anderswo liegen.

Israels Rechte, zu der gemeinhin die nationalistischen Siedler gezählt werden, wie auch die religiösen Parteien setzten mehr, als jede linke Partei dies je tun würde, auf den Umverteilungsstaat.

Also hat Herr Woker doch ein bisschen etwas von der Umverteilung mitbekommen? Israels Rechte sind also Siedler und Ultraorthodoxe. Und die sollen zusammen 30% der Stimmbuerger ausmachen?! Grosszuegig gerechnet sind Siedler 4.5% und die Ultraorthodoxen 8%. Die freie Kindergartenerziehung kommt theoretisch den kinderreichen Ultraorthodoxen zugute. Allerdings hat das einen Haken: Um die Gebuehren zu sparen, muessen die Kinder in einem staatlich-staedtischen Kindergarten angemeldet werden. Die Ultraorthodoxen ziehen aber Kindergaerten vor, in denen ihre Kinder unter sich bleiben und streng nach der jeweiligen Richtung erzogen werden. Diese Kindergaerten werden durch Spenden (vermutlich vor allem aus den USA) subventioniert. Ich vermute daher, dass Kinder aus ultraorthodoxen Familien nur zu einem geringen Prozentsatz von der gebuehrenfreien Frueherziehung profitieren. Welche Vorteile die Siedler aus dieser Aenderung ziehen sollen, entzieht sich meiner Vorstellungskraft.

Mit der Warnung vor dem Holocaust durch iranische Atombomben vermochte Netanyahu das Palästina-Dossier von der internationalen Agenda zu verbannen.

Herr Woker weiss natuerlich sicher, dass Israel sich nicht wirklich durch den Iran bedroht fuehlen muss und die Warnungen nur vom wirklich existienziellen Problem ablenken sollen:

Noch aber lässt sich die ungelöste Palästina-Frage als Israels zentrales und existenzielles Problem trefflich verdrängen.

Geschenkt: Die Autonomiebehoerde unter Abbas kann bestenfalls fuer das Westjordanland sprechen und weigert sich seit Jahren, auch nur an den Verhandlungstisch zu kommen. Die Hamasregierung, die im Gazastreifen de facto einen Staat hat, lehnt Verhandlungen und Israels Existenz grundsaetzlich ab. Aber in den Augen von Journalisten wie Martin Woker, koennte Israel den Konflikt umgehend loesen, wenn es nur die notwendigen Zugestaendnisse machen wuerde.

Auch die politischen Umwälzungen in der Region haben die Regierung bisher bemerkenswert kaltgelassen.

Tatsaechlich konnte sich Israel der naiven Euphorie vieler Europaeer zum „Arabischen Fruehling“ nicht anschliessen, was uns auch in der NZZ uebel genommen wurde. Das die Grenzbefestigung zum Sinai hin mit vollem Tempo hochgezogen wird und warum, hat auch in der NZZ ein leichtes Echo ausgeloest. Kaltlassen uebersetzt als Gleichgueltigkeit, wuerde ich das nicht nennen.

Sein inhaltsleerer politischer Pragmatismus lasse säkulare und gut ausgebildete Israeli verzweifeln und derzeit in Scharen auswandern. Netanyahu weiss natürlich um all die Probleme und wählte in dieser Lage, was Hochstapler in Bedrängnis stets wählen: die Flucht nach vorne.

Und hier kommt endlich die Aufloesung fuer die eigenartige Perspektive, die Martin Woker einnimmt. Er identifiziert sich mit den Ueberresten der israelischen Linken, die es noch nicht verwunden haben, dass sie nicht mehr die Elite darstellen. Yaakov Lozwick beschreibt sie so:

They are mostly members of a once illustrious group of Ashkenazi, secular, educated and left-leaning Israelis. One should not belittle them; while they no longer dominate Israeli society, they remain an honorable, creative and important section of it. Yet they are afflicted with a misconception shared by their political relatives in many Western societies: that they are somehow better than the others, more intelligent, more compassionate; that they are right, while everyone else is wrong, and boneheaded for not seeing their light.

Sie sind ueberwiegend Mitglieder der einst erlauchten Gruppe von ashkenasichen (aus Mitteleuropa stammenden), saekularen, hochgebildeten und links-orientierten Israelis. Man sollte sie nicht herabsetzen; zwar dominieren sie nicht mehr die israelische Gesellschaft, aber sie bleiben ein ehrenvoller, kreativer und wichtiger Bestandteil von ihr. Leider leiden sie unter der Wahnvorstellung, wie sie auch von ihren politschen Verwandten in vielen westlichen Gesellschaften geteilt wird, dass sie irgendwie besser als andere seien: intelligenter, mitfuehlender, dass sie im Recht seien, waehrend alle anderen falsch laegen und bloed seien, da sie ihr Licht nicht saehen.(uebersetzung von mir)

Aus diesem Blickwinkel ist ein Mann wie Benjamin Netanyahu – Ashkenase, saekular, hoch gebildet (Abschluss von MIT), aber mit anderer politischer Einstellung – schwer zu verstehen. Er kann nur ein Hochstapler sein, also jemand, der sich in betruegerischer Absicht als ein anderer ausgibt. Netanyahu *muss* wissen, dass die israelische Linke eigentlich Recht hat, aber aus Eigennutz positioniert er sich mit seiner rhetorischen Beschlagenheit als Rechter.

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