Am Sonntagnachmittag – vor dem ersten Schultag am Montag – ging ich mit den Maedchen einkaufen. Sie durften sich neue Federmaeppchen aussuchen. Zu meiner Genugtuung waehlten sie beide schlichte und praktische Designs. Die Zeit der Elfen, Prinzessinnen und aehnlicher Dekors scheinen wir hinter uns zu haben. Ich erinnerte mich, wie ich mir immer ein neues Kleidungsstueck fuer den ersten Schultag aufgespart hatte und bot ihnen an, ich koennte ihnen ein Roeckchen oder eine Hose kaufen. (Die T-Shirts sind ja Schuluniform.) Es war aber heiss und so sagten mir beide weise, sie haetten ohnehin einen Schrank voller Kleider und das sei unnoetig.
Am ersten Schultag erlebten wir eine Ueberraschung: Die Kleine erhielt als Klassenlehrerin die Frau, die ich fuer die beste Kraft an der Schule halte. Eigentlich hatte es geheissen, dass sie die Klasse der Grossen uebernehmen wuerde. Die Kleine ist sehr gluecklich. Die Grosse bekam stattdessen eine Klassenlehrerin, die niemand kennt, weil sie neu an die Schule gekommen ist. Sie hat aber schon ca. 20 Jahre Berufserfahrung. Ich schuettelte ihr am Ende des Schultags die Hand, stellte mich vor und wuenschte viel Erfolg. Sehr positiv war mein erster Eindruck nicht. Im Auto hoerte ich dann wie die Grosse mit ihrer besten Freundin ueber die Lehrerin herzog. Sie sei eine Hexe, viel zu streng, nicht auszuhalten usw. Mir wurde beim Zuhoeren immer banger. Schliesslich unterbrach ich die beiden und erklaerte ihnen unzweideutig, dass a) ein halber Schultag nicht ausreicht, um sich einen echten Eindruck zu verschaffen, b) die Schueler am kuerzeren Hebel sitzen und c) dass eine solche Haltung eine sich selbst erfuellende Prophezeiung ist. Zuhause hatte ich noch einmal eine Aussprache mit der Grossen zu diesem Thema. Ich sagte ihr, dass ich bei ihrer Freundin eher eine negative Grundhaltung sehe und dass sie ihr helfen koenne, wenn sie dagegensteuere. Spaeter rief ich die Mutter der Freundin an und sagte ihr, sie solle auf ihre Tochter einwirken, weil die Kinder sonst wirklich schnell ein Eigentor schiessen koennten. Ich glaube, sie hat das auch gemacht.
Auf dem Schulweg gestern wies ich daraufhin, dass fuer die Lehrerin alles neu ist und liess die Maedchen sich in ihre Situation einfuehlen. Am Nachmittag fragte ich dann, wie es diesmal gewesen waere. „Wunderbar! Sie ist toll!“ war die Antwort. Anscheinend waren die beiden vor Beginn des Unterrichts auf sie zugegangen und hatten ihr erklaert, sie seien schon lange beste Freundinnen. Sie wuessten, dass sie ein Problem mit dem Schwaetzen haetten, aber sie wuerden sich sehr anstrengen und baeten darum, vorlaeufig nebeneinander sitzen zu duerfen. Natuerlich war die Lehrerin von dieser Offenheit voellig entwaffnet und gewaehrte ihnen die Bitte. Und natuerlich waren die Maedchen wiederum von dem Entgegenkommen ihrer Lehrerin angenehm beeindruckt. Ich hoffe, dass ihr Einfluss in der Klasse (es sind nur 20 Kinder) ausreicht, um die Dynamik ins Positive zu wenden.
Nach der Schule werden die Kinder mit einem Minibus nach Hause gebracht. Die Begleitperson ist eine sehr nette und verantwortliche junge Frau. Meine beiden steigen am 3. Halt aus und fuehlen sich unglaublich gross und selbstaendig, wenn sie selber die Wohnung aufschliessen. Das Mittagessen wartet auf sie im Kuehlschrank, sie koennen es selber in der Mikrowelle aufwaermen. Ich komme eine Stunde spaeter nach Hause. Wahrscheinlich kann sich keiner meiner Leser vorstellen, welche Erleichterung es fuer mich bedeutet, dass ich nicht puenktlich auf die Minute alles fallenlassen und loszuhetzen brauche. Gestern hatten beide schon ihre Hausaufgaben erledigt, bis ich kam. Aber die Kleine machte aus purem Spass am Vergnuegen noch zwei Seiten mehr in Rechnen.
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Filed under: Persoenliches | Tagged: Persoenliches, Schule | 5 Comments »
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