„Dunkle Macht“ – man sollte mit ihr verhandeln!


Victor Kocher hat uns gerade haarklein erzaehlt, warum im Gazastreifen alles zum Besten steht, oder jedenfalls stuende, wenn man die Hamas nur machen liesse. Da erscheint in der NZZ dieser Text, zwei Interviews in eins zusammengefasst.

Die Position von Ahmed Soboh bietet keine Ueberraschung. Als stellvertretender Aussenminister der PA gehoert er selbstverstaendlich zur Fatah. Die Hamas ist also der politische Gegner, den er einerseits daemonisiert:

Ich will betonen, dass die Hamas eine äusserst militante und ultrareligiöse Bewegung ist.

Die Strategie der Hamas ist falsch; sie hat lediglich eine religiöse, nicht aber eine politische – geschweige denn eine wirtschaftliche Perspektive.

Die Hamas hat nie Friedensgespräche mit Israel gewollt. Stattdessen will sie ihre dunkle Macht im Gazasteifen ausbauen. Dabei schielt sie auch nach Cisjordanien.

Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass die Fatah schwaecher ist und so spielt er auch immer wieder auf eine Einigung an:

Als unser Präsident Mahmud Abbas kürzlich Syrien besuchte, sicherte Damaskus seine Bemühungen zu, die Hamas stärker ins Politsystem integrieren zu wollen. Wir von der Fatah bieten unsere volle Zusammenarbeit an.

Ich bin der Ansicht, wir sollten die Streitigkeiten mit der Hamas beilegen, um mit Israel Frieden schliessen zu können.

Ferner hoffen wir, dass das «Hamas-Imperium» im Gazastreifen nur eine vorübergehende Erscheinung ist.

Und natuerlich bereitet er schon den Boden vor, um notfalls Israel fuer alles die Schuld zuzuschieben:

Das hängt von Israel aber auch von der internationalen Gemeinschaft ab. Die Blockade des Friedensprozesses hat der Hamas-Bewegung Auftrieb verliehen.

Ob wir eine entgültige Lösung bis Ende Jahr herbeiführen können, hängt massgeblich von Israel ab.

Interessanter ist der Experte, den sich die NZZ ausgesucht hat.

Nicolas Pelham (nicht Pelmahm wie irrtuemlich in der Einleitung der NZZ) gehoert zur International Crisis Group. Wie aus der Liste der Vorstandsmitglieder (George Soros im Executive Committee) erkennbar, positioniert sich die Organisation deutlich links. Die NZZ hat also einen Interviewpartner, von dem sie nicht erwarten muss, dass er ihrer Weltsicht entgegengesetzte Ansichten vertritt.

Tatsaechlich ist Pelham insofern schon wieder originell, als er bereits im Juli 2006 verlangt, die Hamas muesse international als Verhandlungspartner akzeptiert werden. In den Wahlen vom Januar desselben Jahres hatte die Terrororganisation eine Mehrheit der Sitze erhalten. Abbas blieb weiterhin Vorsitzender und Haniyeh von der Hamas wurde Premierminister. Der internationale Boykott gegenueber der neuen Regierung beschraenkte sich darauf, dass Hamasmitglieder nicht zu offiziellen, diplomatischen Anlaessen eingeladen wurden. Die Finanzhilfe an die PA verdoppelte sich im Jahr 2006, so dass von einem ernstzunehmendem Boykott nicht die Rede sein kann.

Pelham verarbeitet in seinem Text vom Juli 2006 so ziemlich alle damaligen, progressiven Enten:
Die Hamas sei dazu verlockt worden, sich an den Wahlen zu beteiligen. Tatsache ist, dass Israel nur unter amerikanischem Druck die Beteiligung der Hamas akzeptierte. In den USA war man dann bass erstaunt, als das Wahlergebnis eintrudelte, damit hatte man nicht gerechnet.

Dann erzaehlt uns Pelham von einem schon lange anhaltenden Waffenstillstand der Hamas. Dieser soll seit Maerz 2005 in Kraft gewesen sein. Dass zwischen Maerz 2005 und August 2005 relative Ruhe herrschte, ist leicht nachzuvollziehen. Im Februar 2005 hatte die Knesseth Sharons Plan zum einseitigen Rueckzug aus dem Gazastreifen mit 59 zu 17 Stimmen und 5 Enthaltungen angenommen. Der Abzug selber war fuer August 2005 angesetzt. In diesen fuenf Monaten hatten alle pal. Organisationen daher guten Grund, den gewalttaetigen Widerstand einzuschraenken. Tatsaechlich wollte Hamas im Juli 2005 noch durch eine ploetzliche Eskalation den Eindruck entstehen lassen, dass sie Israel mit Waffengewalt zum Abzug gezwungen habe. Die PA unter Fatah hatte daran wenig Interesse und unternahm dieses eine Mal etwas gegen den Beschuss durch die Hamas. (Womit sie natuerlich auch unter Beweis stellte, dass das im Rahmen ihrer Moeglichkeiten lag, wenn nur der politische Wille da war.)

Vom September 2005 an bietet sich aber ein anderes Bild. Bis November 2006 gingen 1201 Kassamraketen auf Israel nieder.

Der Waffenstillstand hat also eine aehnliche Qualitaet wie der Boykott. Irgendwie ist er nicht recht auszumachen.

Pelham geht so weit, selbst den Angriff auf israelisches Territorium und die Entfuehrung des Soldaten Gilad Shalit als verkapptes Verhandlungsangebot der Hamas zu deuten:

Paradoxically, Hamas’s attacks are aimed not at breaking the cease-fire, but at restoring it, albeit on different, reciprocal terms. Its attack on a military base adjoining one of the crossings — which turn Gaza’s supply-lines on and increasingly off like a valve — and the capture of an Israeli soldier were designed to lure Israel and the international community to the bargaining table, not shove them away. That was hardly a commendable tactic. But while gambling on the prospect of escalation, they also reasoned that at some point, when either Israeli or more likely Palestinian and Arab suffering reached a new threshold, the international community would call a halt.

Ausserdem bemueht er noch die Ente des „Prisoners‘ Document“, das angeblich die Zweistaatenloesung enthielte, was den Tatschen klar widerspricht.

Ausserdem beschwert sich Pelham, dass die UN, USA, EU und Russland (mit andern Worten das Quartett der „Road Map“) der Hamas einseitige Bedingungen auferlegt haetten. Er huetet sich wohl, diese Bedingungen konkret zu nennen: Anerkennung des Staates Israel, Anerkennung der Gueltigkeit von bisherigen Abkommen mit der PA und Verzicht auf Gewalt. Einseitig sind diese Bedingungen naemlich gar nicht, sondern eher selbstverstaendlich: Wie soll ueberhaupt ein Staat mit einer Entitaet verhandeln, die ihn nicht anerkennt, Vertraege nach Belieben fuer ungueltig erklaert und gleichzeitig auf Terror setzt?

Mit Pelhams Analyse von 2006 im Hinterkopf ueberrascht mich nicht, dass er auch im August 2008 nur Verhandlungen mit Hamas als Loesung anbietet:

Jegliche diplomatischen Bemühungen oder Hilfe im Gazastreifen bedürfen der Koordination mit der Hamas. Letztlich muss sich aber auch die Hamas auf dem diplomatischen Parkett bewegen – gerade mit Israel und Ägypten, will es die beiden Grenzübergänge von Nahal Oz und Rafah für den Personen- und Warenverkehr weiter betreiben. Die Aussenwelt muss dies als Zeichen verstehen, dass die Hamas in der Lage ist, die Versorgung der Bevölkerung zu garantieren und die Entwicklung ihrer Region voranzutreiben.

Wieviel Hamas daran gelegen ist, vor allem den Warenverkehr zu betreiben und die Versorgung der Bevoelkerung zu garantieren, laesst sich aus den regelmaessigen Angriffen auf die Grenzuebergaenge leicht ablesen. Nur ist das mit linksliberalen Scheuklappen offensichtlich nicht zu erkennen.

Interessant auch, dass in dem gesamten Text der Iran an keiner Stelle erwaehnt, dabei haben sich Iran und Hamas beide dazu bekannt, dass der Iran die Schutzmacht auch der Hamas ist.

Aber auch das scheint ausserhalb des engen Blickfelds zu liegen.

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